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hier finden sie die Blawgeinträge.20.12.2010 | Blawgarchiv | Mail an den Autor
Dr. Brigitte Birnbaum,
Grenzenlos
In den EU-Ländern kommt es jedes Jahr zu 350.000 Eheschließungen von Paaren, die entweder unterschiedliche Staatsbürgerschaften besitzen, in unterschiedlichen Ländern wohnen oder gemeinsam im Ausland leben. 170.000 Mal jährlich werden internationale Ehen jedoch auch geschieden. Solche Scheidungen können für die Beteiligten durchaus problematisch werden. Die erste Frage, die sich den Scheidungswilligen stellt: Welches Gericht ist für die Durchführung der Scheidung zuständig? Diese Frage wurde 2003 in der sogenannten Brüssel-IIa-Verordnung geregelt. Sie ermöglicht den Ehepartnern, gemeinsam den Gerichtsstand zu wählen. Wesentlich bedeutender ist aber die Frage, welches Recht ist von diesem Gericht anzuwenden. Das ist bisher ausschließlich durch innerstaatliche Kollisionsnormen geregelt worden. Deren Anknüpfungspunkte differieren jedoch von Land zu Land erheblich. Das bedeutet ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit. Denn die Scheidungsfolgen (insbesondere Fragen des nachehelichen Ehegattenunterhalts und der Vermögensaufteilung) werden von den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen höchst unterschiedlich geordnet. Das erlaubte in der Vergangenheit dem besser beratenen Ehepartner ein „Forum-Shopping“: Er hat als erster ein Gericht in jenem Land angerufen, dessen Recht seinen eigenen Interessen am besten entsprochen hat. Die EU-Kommission hat daher im Juli 2009 einen Vorschlag vorgelegt, der einen klaren und möglichst umfassenden Rechtsrahmen für Ehesachen im europäischen Raum durch zwei Maßnahmen liefern soll: Einerseits durch die Angleichung der nationalen Kollisionsnormen, andererseits durch die den Ehepartner eingeräumte Möglichkeit, eine von allen Staaten anerkannte Vereinbarung über das anzuwendende Recht und den internationalen Gerichtsstand zu schließen. Liegt keine solche Vereinbarung der Ehepartner vor, so soll in Zukunft das anzuwendende Recht nach einheitlichen Regelungen basierend auf dem Prinzip des „engsten Bezugs“ ermittelt werden. Die Formulierung dieser Auffangklausel lässt allerdings erneut Auslegungsprobleme und damit verbunden neuerliche Rechtsunsicherheit befürchten. Österreich und 13 weitere der 27 EUMitgliedsländer konnten sich jedoch auf diesen Kommissionsvorschlag einigen, der am vergangenen Mittwoch vom EUParlament in Straßburg bestätigt wurde. Dadurch hat erstmals in der Geschichte der Europäischen Union ein Teil der Mitgliedsstaaten in der Justizpolitik einen erst durch die Verträge von Amsterdam und Lissabon ermöglichten Sonderweg einer „verstärkten Zusammenarbeit“ beschritten. Paaren, die beabsichtigen, eine internationale Ehe einzugehen, ist daher dringend zu empfehlen, schon vor der Eheschließung die Beratung eines Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen und in einem Ehevertrag möglichst klare Regelungen über diese Fragen zu treffen.