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hier finden sie die Blawgeinträge.03.05.2010 | Blawgarchiv | Mail an den Autor
Dr. Brigitte Birnbaum,
Eine lange Nacht
EINE LANGE NACHT
Während am letzten Donnerstag im Museumsquartier hunderte junge Leute die erste laue Sommernacht des Jahres feierten, hielt die Rechtsanwaltskammer Wien bis spätnachts ihre Plenarversammlung im Leopoldmuseum ab. 777 Personen, davon etwa zwei Drittel Rechtsanwälte und ein Drittel Rechtsanwaltsanwärter, nahmen an ihr teil und setzten damit ein starkes Zeichen der Autonomie, der Selbstverwaltung des Rechtsanwaltsstandes. Sie setzte als erste Rechtsanwaltskammer die durch das Berufsrechtsänderungsgesetz aufgetragenen Neuerungen in ihren Geschäfts- und Beitragsordnungen, im Versorgungsstatut sowie im Statut der Treuhandeinrichtung um. Mit Jahresbeginn wurden mehr als 1000 Berufsanwärter zu Vollmitgliedern der „Anwaltsfamilie.“ Bei ihrem ersten Auftreten haben sie versucht, durch zwei Abänderungsanträge zur Umlagenordnung und zum Versorgungsstatut eigene Anliegen durchzusetzen.
Die drei amtierenden Vizepräsidenten (Birnbaum, Rech, Prochaska) stellten sich der Wahl und wurden in ihrer Funktion überzeugend bestätigt. Turnusmäßig war auch eine entsprechende Anzahl von Mitgliedern des Ausschusses, des Disziplinarrates sowie der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission neu zu wählen. Delegierte der Vertreterversammlung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages werden nicht wie in der Vergangenheit vom Ausschuss ernannt, sondern in der Vollversammlung gewählt. Im Ausschuss werden die Rechtsanwaltsanwärter Jarosova, Köck und Mair, im Disziplinarrat Bodmann und Schachinger, Aufgaben wahrnehmen.
Aufgabe einer durch neue Mitglieder gestärkten Rechtsanwaltschaft wird es sein, geschlossen europäischen Fehlentwicklungen entgegenzuhalten, die die Autonomie der Rechtsanwaltskammern einschränken und damit die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte gefährden. Den Schutzzweck der autonomen anwaltlichen Selbstverwaltung dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Es ist die Freiheit des Bürgers im Verhältnis zum Staat, aber auch im Verhältnis zu anderen Bürgern. Leider sind österreichische Gesetzesvorhaben wie der an dieser Stelle bereits kritisierte Entwurf einer Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle bereits von Europäischen Unsitten infiziert. Erfreulicherweise ist die massive Kritik der Rechtsanwaltschaft gegen das Vorhaben, die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission aufzulösen, langsam da und dort auf Gehör gestoßen.
Die Rechtsanwaltschaft wird daher auch nach einer langen Nacht nicht müde werden, gegen Fehlentwicklungen ihre Stimme zu erheben.