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hier finden sie die Blawgeinträge.13.10.2011 | Blawgarchiv | Mail an den Autor
Dr. Brigitte Birnbaum,
Es geht auch anders
Die in der Politik leider kaum noch stattfindende Sachdebatte über österreichische Rechtsprobleme hat in letzter Zeit eine neue Plattform gefunden: den regelmäßig stattfindenden Rechtssalon der Wiener Rechtsanwaltskammer. Auch in der vergangenen Woche haben sich dort wieder Justizministerin, Spitzenbeamte, Höchstrichter und Vertreter
des Notariats mit den Wiener Rechtsanwälten auf Einladung von Kammerpräsident Michael Auer getroffen. Dabei stand die Frage des Sparens im Zentrum: Wo sollte nicht gespart werden, wenn es nicht zu einem Totsparen kommen soll? Wo könnte mehr gespart werden? Viele Sparaktionen des Budgetbegleitgesetzes 2011 haben sich ja als kontraproduktiv erwiesen. Eine in überschaubarer Geschwindigkeit funktionierende Justiz ist eine Säule der Demokratie. Daher ist unreflektiertes Sparen beim Personalaufwand schädlich. Auch die Abschaffung der Gerichtsferien hat sich als schädlich erwiesen
und noch dazu keinerlei Einsparungen erbracht. Umso erfreulicher ist, dass Ministerin Beatrix Karl eine Rückführung zum früheren Zustand erwägt.
Diese Gerichtsferien sind insbesondere für Rechtsanwälte in kleinen Kanzleien unverzichtbar. Schädlich für die Qualität der Justiz war schließlich auch die Verkürzung der Rechtspraktikantenzeit von neun auf fünf Monate. Denn diese Zeit ist nicht nur für die Ausbildung der Beufsanwärter wichtig, die Praktikanten sind auch längst zu Systemerhaltern der Justiz geworden und daher unverzichtbar. Ein Leichtes wäre es hingegen, beim Sachaufwand zu sparen. Dabei drängt sich vor allem die Schließung von kleinen Bezirksgerichten geradezu als Notwendigkeit auf. Deren Zahl und Dichte ist in Zeiten der fast totalen Mobilität überflüssig groß. Die Verfassungsklausel, dass nur mit Zustimmung eines Landeshauptmannes ein Bezirksgericht geschlossen werden darf, ist in keiner Weise mehr zeitgerecht. Denn die Landeshauptmänner sind wiederum von den Bürgermeistern abhängig, die nur die Interessen ihres Ortes im Auge haben. OGH-Präsidentin Irmgard Griss berichtete von eindrucksvollen ausländischen Beispielen: So hat Dänemark die Zahl seiner Bezirksgerichte seit 2007 von 82 auf 24 reduziert. Diese sind im Übrigen als einheitliche Eingangsgerichte angelegt. Ähnlich tatkräftig hat auch Finnland reformiert: Dort ist seit 2005 die Zahl von mehr als 60 Bezirksgerichten auf 27 geschrumpft und soll noch weiter kleiner werden. Dabei ist Finnland viel größer als Österreich, was auch längere Anfahrtswege bedeutet. Österreich
hingegen benötigt nach wie vor 141 Bezirksgerichte, kommt jedoch mit nur 84 Bezirkshauptmannschaften aus. Das ist nicht nur teuer, sondern birgt auch die Gefahr reduzierter juristischer Qualität, befinden sich darunter doch viele Kleinstgerichte mit nur tageweiser richterlicher Besetzung.